Demokratisierung von Unternehmen

Die Zukunft eines Standortes gemeinsam gestalten

Ein grosser deutscher Technologiekonzern führt erstmals eine «beteiligungsorientierte» Betriebsversammlung durch. Anstelle einer reinen Informationsveranstaltung mit Rechenschaftsberichten von Seiten Betriebsrat und Werksleitung wird 2015 eine Dialogveranstaltung mit rund 500 Mitarbeitenden aus Produktion und Verwaltung geplant. Die Belegschaft ist neugierig auf die von Betriebsrat und Gewerkschaft angekündigte neue Art der Betriebsversammlung, die in einer leerstehenden Werkhalle durchgeführt wird.

Der Betriebsrat hat in enger Zusammenarbeit mit der zuständigen Gewerkschaftsorganisation und in Abstimmung mit der Werkleitung ein Novum für den Betrieb gewagt: Anstatt Rechenschaftsbericht an Rechenschaftsbericht zu ketten so wie üblicherweise bei den Betriebsversammlungen, wird dieses Mal ein Workshop durchgeführt. Es geht nicht um das Ausprobieren einer neuen Methode. Vielmehr werden folgende Ziele für den Prozess formuliert:

  • Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informieren und Zuversicht für die Zukunft des Standortes vermitteln
  • Das Engagement am Standort wertschätzen
  • Die Bedürfnisse und Anliegen der Belegschaft ernst nehmen
  • Gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Zukunft entwickeln
  • Die wichtigsten Themen und Anliegen für den Standort nachhaltig und verbindlich angehen.

Nach der Begrüssung werden Einstiegsfragen an die Belegschaft gestellt. Wir erfahren, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in welchem Bereich tätig sind und wie lange die Betriebszugehörigkeiten sind. Wir möchten auch wissen, mit welcher Motivation die Kolleginnen und Kollegen am frühen Morgen zur Betriebsversammlung kommen. Fast 60 Prozent geben an, neugierig zur Betriebsversammlung zu kommen. Das ist ein erster Erfolg für das neue beteiligungsorientierte Format.

Das Zeitfenster der Versammlung ist inklusive Mittagspause auf fünf Stunden begrenzt, damit der Schichtbetrieb nicht zu sehr gestört wird. Als methodische Grundlage der Betriebsversammlung wird ein World Café gewählt. Die inhaltliche Logik des World Café folgt der einer Zukunftskonferenz – aufgrund der nur fünf Stunden als „light“-Version. Das bedeutet, dass nicht alle Phasen einer Zukunftskonferenz durchlaufen werden können, aber ein Dreiklang von Standortbestimmung, Trendanalyse und Definition der wichtigsten Themen möglich ist.

Eine Zukunftskonferenz im Mantel eines World Café

Das Thema des World Café ist „Zukunft des Standortes“. In der ersten Dialogrunde diskutiert die Belegschaft ihre Sicht auf die aktuelle Situation am Standort. Es wird eine kritische Standortbestimmung zu Sonnen- und Schattenseiten vorgenommen. Erste Eindrücke werden auf die Tischplatten geschrieben. Und: die Zwischenergebnisse werden von den Gruppen präsentiert und via Smartphone an das Redaktionsteam gesendet.

In der zweiten Runde des World Café tauschen sich die Mitarbeitenden zu zukünftigen Entwicklungen mit Einfluss auf ihren Standort aus. Die dritte Runde des World Café benennt schliesslich wichtige Themen und Anliegen der Belegschaft für eine erfolgreiche Entwicklung des Standortes.

Die Ergebnisse aus rund 60 Kleingruppen werden wiederum via Smartphone an das Redaktionsteam gesendet. Das Redaktionsteam – zusammengesetzt aus engagierten Kolleginnen und Kollegen aus dem Unternehmen – wertet die Ergebnisse während der Veranstaltung und in der Pause aus. Zurück aus der Pause erhält die Belegschaft einen Überblick über die Ergebnisse des World Café. Jede und jeder erhält nun die Möglichkeit die meistgenannten Aspekte mittels Electronic Voting zu gewichten.

Die Ergebnisse der Betriebsversammlung werden ausgewertet und fliessen in einen Folgeprozess ein. Nach der Betriebsversammlung werden die wichtigsten Themen, Anliegen und Ideen der Belegschaft vom Betriebsrat und in Zusammenarbeit mit der Werkleitung aktiv aufgegriffen. Die Resonanz aller Beteiligten – Belegschaft, Betriebsrat, Gewerkschaft und Werkleitung – ist nach der Betriebsversammlung sehr positiv. Nicht nur an der gemeinsamen Veranstaltung, auch im Vorbereitungs- und Nachbereitungsprozess ist man einander ein Stück nähergekommen – inhaltlich und auch menschlich.

Projektdetails

Zeitraum: 2015

Auftraggeber: Betriebsrat Technologieunternehmen und Gewerkschaft

Projektbeteiligte: frischer wind, GroupConsulter

Rolle frischer wind:

  • Beratung des Betriebsrats und der Gewerkschaft
  • Konzeption, Vorbereitung und Moderation der Betriebsversammlung

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